Tausend Blätter: gesundheits- und sozialpolitische Solidaritäten im Wirbel der Covid-19 Krise
Am 14.07. 17:00 - 18:30 Uhr | In französischer Sprache (via Youtube) oder mit Simultandolmetschung (via Zoom )
GLOBE|Panel mit Nikola Tietze, Olivier Giraud, Stefanie Börner, Vincent Gengnagel, Patrick Jouin und Michael Knipper
Organisiert in Kooperation mit dem Centre Marc Bloch und dem Frankreichzentrum der Universität Leipzig
Der Mille-feuille, Tausend-Blatt, ist ein französischer Kuchen mit einer feingliedrigen Blätterteigstruktur, die durch eine mehr oder minder konsistente Creme zusammengehalten wird. Er stellt ein passendes Bild für die Komplexität und Fragilität von gesundheits- und sozialpolitischen Solidaritäten dar und verdeutlicht, dass deren Herstellung von dem Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure, multipler Handlungsbühnen und verschiedener territorialer Ebenen abhängt. Im nach innen dicht vernetzten und nach außen multilateral verknüpften Europa spielt hierbei grenzüberschreitende Koordination von disparatem Informationen und heterogenen Kenntnissen eine entscheidende Rolle, wie die Covid-19-Pandemie vor Augen geführt hat.
Die Podiumsveranstaltung richtet den Fokus auf die Herausforderungen und Brüche in der Wissensproduktion und im Austausch von Kenntnissen im europäischen Mille-feuille gesundheits- und sozialpolitischer Solidaritäten während der Covid-19-Krise. Nach welchen Maßstäben wird das Wissen produziert und ausgetauscht, das über eine politische Maßnahme im Gesundheitsschutz, über die Schließung oder Öffnung von regionalen oder nationalen Grenzen, über Unterstützung des Wirtschafts- oder Finanzmarkts, über die Sozialhilfe für eine spezifische Bevölkerungsgruppe etc. entscheidet? Auf welchen wissenschafts- wie auch wirtschaftspolitischen Kontext bauen solidaritätsorientierte Wissensproduktion und -austausch in der Covid-19-Krise auf? Welche Verflechtungen und Brüche hat die Pandemie im europäischen Mille-feuille der Solidaritäten aufgezeigt?
Diese Fragen werden in 4 bis 5 Beiträgen des Podiums aufgegriffen und anhand von konkreten Beispielen gesundheits- und sozialpolitischer Fragen und ihren europäischen Implikationen während der Pandemie vertieft. Bisher angedacht sind Beiträge über die Spannungen zwischen lokalen und nationalen Wissensformaten mit einem spezifischen Blick auf die französische Situation, die Produktion und Kommunikation statistischer Evidenz und über markt- und sozialpolitische Wissensproduktion zwischen den Fronten nationaler und europäischer Zwänge.
Die Referent:innen
Nikola Tietze
Akademische Ausbildung und beruflicher Werdegang von Nikola Tietze bewegen sich zwischen Deutschland und Frankreich hin und her. Während ihres Studiums der Politikwissenschaft an der Freien Universität (Berlin) hat sie zwei Semester in Sciences Po Paris verbracht. Promoviert hat sie an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (EHESS, Paris) im Centre d’analyse et d’intervention sociologiques (Cadis). Dank eines Stipendiums des Ministère de l’Education Nationale, de la Recherche et de la Technologie am Centre Marc Bloch (1994-1998) konnte sie ihre Dissertation im Rahmen einer deutsch-französischen co-tutelle mit der Universität Marburg 1999 verteidigen. Von 2000-2015 hat sie am Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) gearbeitet. Dort bestand ein Teil ihrer Tätigkeit darin, den deutsch-französischen Austausch von geschichts- und sozialwissenschaftlichen Arbeiten durch workshops und Übersetzungen zu fördern. 2013 hat sie an der Universität Hamburg habilitiert mit einer Arbeit über das Verhältnis zwischen europäischen Kategorien der action publique und den transnationalen Gemeinschaftsimaginationen der Nachkommen deutscher und französischer Arbeitsmigranten. Seit 2015 werden ihre Forschungsarbeiten hinsichtlich des Zugangs zu sozialen Rechten in der Europäischen Union und damit verbundenen Konflikten in Deutschland oder Frankreich von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur finanziert. Gegenwärtig ist sie assoziierte Wissenschaftlerin am Laboratoire interdisciplinaire pour la sociologie économique (Lise, Cnam-Paris).
Olivier Giraud
Olivier Giraud ist Politologe im Laboratoire interdisciplinaire pour la sociologie économique (CNRS, Cnam-Paris) und tätig im Gebiet der vergleichenden Politikfeldanalyse. Er interessiert sich insbesondere für die Schnittstellen und Interaktionen zwischen Gesundheits- und sozialpolitischen Problemen. Auf dem Gebiet der Pflegepolitik, interessiert er sich z.B. insbesondere für die Professionalisierung der Arbeit der pflegenden Angehörigen und für die politische Governance der Demenzdiagnose.
Stefanie Börner
Stefanie Börner, Studium der Soziologie in Leipzig und Valencia, seit 2018 Juniorprofessorin für die Soziologie europäischer Gesellschaften an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Projektleiterin im DFG-Projekt "Umkämpfte Solidarität. Solidaritätsdynamiken zwischen sozialpolitischem Tagesgeschäft und Krise". Zuvor wissenschaftliche Mitarbeiterin u.a. an der Friedrich-Schiller-Universität Jena am Lehrstuhl Hartmut Rosas für Soziologische Theorie. Zwischen 2007 und 2012 Stipendiatin an der Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS), wo sie 2012 zum Thema Nationalisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland und dem Vereinigten Königreich promovierte. Lehrtätigkeiten in Berlin, Bremen, Jena, Leipzig, Magdeburg und Moskau.
Vincent Gengnagel
Dr. Vincent Gengnagel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Europa-Universität Flensburg und leitender Herausgeber der Zeitschrift “Culture, Practice and Europeanization”. Er trägt zu einer Politischen Soziologie der Sozial- und Geisteswissenschaften bei, indem er die Europäisierung insbesondere der akademischen Wissensproduktion mit feld- und diskursanalytischen Perspektiven beobachtet. Darüber hinaus reicht sein Interesse an Gesellschaftskritik von theoriegeschichtlichen Fragen der Epistemologie bis zu konkreten Analysen der institutionellen Schwäche der kritischen Öffentlichkeit im Rahmen der Skandale um den Nationalsozialistischen Untergrund.
Neben Beiträgen in einschlägigen soziologischen Formaten und der Mitherausgeberschaft des Sammelbandes Macht in Wissenschaft und Gesellschaft. Diskurs- und feldanalytische Perspektiven (Wiesbaden: Springer) finden sich unter seinen Publikationen auch breiter angelegte Betrachtungen wie Als Kulturkapital noch cool war. Das Hipsterklischee als Echo des Bildungsversprechens (In: “Destruktive Charaktere: Hipster und andere Krisenphänomene”, Ventil Verlag) und Zwischen Staatswohl und Aufklärung – Der zweite parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU (In: “Ende der Aufklärung. Die offene Wunde NSU”, Tübingen: Klöpfer & Meyer).
Patrick Jouin
Titulaire d'un doctorat ès lettres (sociolinguistique des langues en contact) et d'un Master 2 business administration de l'IAE de Nancy, Patrick Jouin est professeur de lettres classiques en France et dans l'aire germanophone (Munich, Vienne), puis chef d'établissement scolaire. Il effectue des mobilités au Sénat (Attaché parlementaire) et dans le réseau diplomatique (Directeur délégué de l'Institut culturel français de Thessalonique. Conseiller de Recteur pour le transfrontalier de de 2015 à 2017; il rejoint en 2018 l'ARS Grand Est comme Conseiller relations internationales.
Michael Knipper
Medizinstudium in Bonn und Oviedo (Spanien). Klinische Tätigkeit in den Bereichen Kinder- und Jugendmedizin (Kreiskrankenhaus Mechernich/Eifel 1996-1997) und Tropenmedizin (Tropenmedizinische Ambulanz der Universitätsklinik Düsseldorf 2001-2002). Von 1997 bis 1999 medizinethnologische Feldforschung in Ecuador (Graduiertenstipendium des DAAD). Von 2000 bis 2003 wiss. Mitarbeiter am Medizinhistorischen Institut der Universität Bonn. Seit Mai 2003 Assistent am Institut für Geschichte der Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen. Im WS 2010/2011 Habilitation für das Fach "Geschichte, Anthropologie und Ethik der Medizin".
HINWEIS:
Das GLOBE|Panel gibt es ab dem 14.07. um 17:00 Uhr hier als YouTube-Video!
Alternativ können Sie auch den YouTube-Kanal des ReCentGlobe besuchen.